Sonntag, 1. Dezember 2013

2. Türchen

Die Kräuterfee

Sie waren in einem Fluss gelandet. Kühles klares Wasser wirbelte um Damians Knöchel. Verrigo stand gleich neben ihm auf einer satten, grünen Wiese. So etwas hatte Damian noch nie wirklich gesehen. Nur wenn Perla ihm und den jüngeren Kindern vorgelesen hatte, hatte er sich solch bunte Welten vorstellen können. Das hier war real. All die Blumen die er nach ihren Beschreibungen gezeichnet hatte, die Wolken, das Gras, das Wasser in dem sich der strahlend blaue Himmel spiegelte. Er war wirklich da. Aber wie hieß dieser Ort? Und wo war seine Schwester? Suchend drehte er sich um. Doch was er da sah konnte und wollte der Junge nicht glauben: Ein Wasserfall. Ein rückwärts fließender Wasserfall. Doch wo war Perla? 

Verrigo sprang vor Damians Nase von Stein zu Stein. „Hast du sie gesehen?“, stutzte er. „Unter dir.“, kicherte der freche Knirps. „Oh-Herr-Je-Mine!Perli!“ Das Mädchen lag zu Damians Füßen im Wasser, ihr hellbraunes Haar über seinen Schuhspitzen wie ein welliger Fächer ausgebreitet. „Perli?“ Der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben: „Was hast du mit Ihr gemacht?!?“, schrie er Verrigo ungehalten an. „Du bist eine Falle, nicht?“ Verrigo schien verunsichert von Damians Geschrei. Er legte einen Finger auf die Lippen. „Nein, das bin ich ganz sicher nicht. Pscht. Du verschreckst noch Mieles Freunde.“ Während Damian seine Schwester behutsam aus dem Flussbett zog, begann Verrigo zu erklären: „Miele ist das Mädchen, dessen Lachen ich gehört habe. Sie ist wirklich nett, und meint, dass sie uns nach Magix bringen kann.“ „Außerdem bin ich eine Kräuterfee, und weiß was mit deiner Freundin los ist.“ Sie sah wirklich freundlich aus, fand Damian. Ihr aussehen harmonierte mit der farbenfrohen, einladend wirkenden Umgebung. „Ich möchte euch helfen, wenn du mich lässt.“ Miele kniete sich zu Perla und goss ihr vorsichtig einen Schluck Kräuterbrühe aus einem rosa Blütenblatt zwischen die Lippen. 

Wach auf Perli! Bitte wach auf und sprich mit mir!“, flehte ihr Bruder hilflos. „Was hat sie denn?“, harkte Verrigo aufgeregt nach. „Offensichtlich“ – Mieles Tonfall war amüsiert und nachdenklich zugleich: „Offensichtlich handelt es sich hier um einen Magierückstau.“ Auf Damians panisch fragenden Blick hin setzte das Mädchen zur Erklärung an: „wenn eine Fee zu lange von zu wenig Magie umgeben war, und dann in eine Umgebung mit viel Magie gelangt, dann gibt es einen Magierückstau.“ Miele kicherte, und warf dabei ihren rotblonden Zopf zurück. „Außerdem ist sie in den Fluss gefallen, dass heißt, der Rückstau ist noch ein wenig stärker. Dieser Fluss ist ebenfalls Magisch. Wie ihr bemerkt habt, fließt er rückwärts. Sein Wasser besteht aus den Tränen dieses Baumes dort.“ Sie deutete auf einen Dessen Blätter in Strängen hinab hingen. „Das ist die Trauerweide.“ Daminan und Verrigo sahen sich das Gewächs genau an. „Ihre Magie ist ziemlich Stark, aber sie ist gutartig. Ich glaube nicht, dass sie deiner Perla etwas Böses wollen würde.“ In Damians Gesicht war die Skepsis wie festgefroren: „Wie kannst du wissen, ob sie eine Fee ist?“ Auch Verrigo stutzte: „Ja, woher? Da wo wir her kommen gibt es doch gerade einmal genug Magie um einen Lichtpunkt 
aufzusammeln.“

 Miele grinste die Jungen frech an. „Meine Schwester Flora ist die Schutzfee von Linphea. So heißt unser Planet hier. Sie hat mir beigebracht wie magische Energie erfasst.“ „Linphea sagst du? Dann sind wir hier Falsch. Wir... wir wollen unbedingt nach Magix.“ Die Kräuterfee tätschelte beruhigend Damians Schulter: „Ach da Kann ich euch hin bringen.Aber erst wecke ich mal deine Perla auf, und dann gibt’s einen Stärkungstee. Hier auf Linphea gibt es wie erwähnt nur Pflanzenmagie. In Magix gibt es jede Art von Magie. Feen und Zauberer aus jeder Ecke des Universums treffen dort zusammen.“ Sie wedelte mit einem Büschel rosa Blüten vor Perlas Nase, und die wachte gleich auf. „Damian? Sind wir in Magix?“ fragte sie benommen. „Bald.“ beruhigte er seine Schwester und lächelte. „Miele kann uns hin bringen.“, erklärte Verrigo kichernd. „Erst müsst ihr euch stärken.“, beharrte die kleine mit einem frechen Grinsen. 

Sie schwang das rosa Blütrnbündel noch einmal vor Perla und Damian hin und her. Ein warmer, frühlingshafter Wind lies bunte Blütenblätter um die drei Neuankömmlinge wehen, unter die sich funkelnder Pollenstaub mischte. Damian musste laut niesen, worauf hin Verrigo doppelt so laut lachte. „Arme hoch und Augen zu!“ kommandierte Miele, und drehte sich im Kreis um die drei Zerlumpt gekleideten gestalten. Die taten was Miele ihnen befohlen hatte und gleich wurde aus den Blütenblättern richtige, farbenfrohe Kleidung. Statt der zerfetzten braunen Jute-Hose trug Damian nun eine kurze Jeans mit vielen Taschen, er stand nicht mehr barfuß, sondern in festen Sportschuhen da, und über das weiße T-Shirt, welches vorher nur ein dreckiger Stoffetzen mit Kohleflecken gewesen war, legte sich eine grüne Kapuzenjacke mit gelber Innenseite und einem Reißverschluss. Auch Verrigo fand sich in einer solchen Jacke – allerdings in hellblau und weiß – einer ähnlichen, dunkleren Abenteurerhose und einem Paar Sandalen wieder. Natürlich sollte Perla nicht leer aus gehen; In einem perlmutfarbenen Rüschenröckchen, einem rosa Top und einem passendem Paar rosa Ballerinas mit glitzernden Schleifen sah sie gleich viel feenhafter aus. Auch ihre zerzausten Locken wurden vom Zauberwind gebändigt und zu zwei Zöpfen geflochten. Nur eine Locke wollte sich trotzt Schleifen und herzförmiger Haarspangen nicht bändigen lassen und fiel ihr auf die Stirn. Auch den beiden Jungs waren die Haare gerichtet worden.  
Und so konnten nun alle drei Besucher ordentlich aussehend an einen Platz geführt werden, an dem ebenso ordentlich gedeckte Baumstämme als Picknick-Tische dienten.

Bedient euch!“, bat Miele feierlich, doch Perla war mit etwas ganz anderem beschäftigt: „Damian, sieh dir das an! Farben, bunte Farben! Und keine Löcher mehr! … Was noch wichtiger ist... du bist sauber!“ Das Mädchen konnte mit dem Staunen und kichern gar nicht mehr aufhören. Damians einzige Anwort war ein beschämtes lächeln. Er sagte sowieso nie viel daraus machte sich seine Schwester nichts mehr. Sie wusste, dass er genau so glücklich war wie sie. Verrigo hatte sich schon über die Auswahl von süßen Früchten, leckerem Gebäck und heißem Tee her gemacht. „Ich will ja nicht stören ihr Turteltauben, aber das hier sieht noch hundert mal besser aus als Perla! – Obwohl sie zugegeben ziemlich gut aussieht. – “, übermütig biss er gleichzeitig in Butterhörnchen und Pfirsiche. „Und es schmeckt auch!“ Miele war sehr zufrieden mit sich und genoss die vielen Komplimente. „Esst ruhig von allem. Probiert was ihr möchtet. Frisches Obst gibt es genug im Immerblühenden Garten. Und was den Rest angeht, die Zutaten beschaffe ich mir in Magix. – Jetzt setzt euch endlich, ihr beiden. Auf leeren Magen kommen Rückstaus noch zehn Mal schlimmer. Außerdem hat man so auch keine Flugenergie. Esst, und was ihr nicht aufessen könnt, verstaut ihr hier!“, Wieder wehte ein warmer Wind, große Blätter wirbelten darin herum, und der glitzernde Pollenstaub verwandelte sie in Rucksäcke. Perlas Mund blieb vor staunen offen stehen. „Wie machst du das bloß? Du musst eine ziemlich starke Fee sein, nicht wahr?“ „Ich doch nicht! Das hier ist wirklich nur ein einfacher veränderungs-Zauber. Die lernt man auf Alfea als erstes. Wenn man diesen Kurs bei Professor Wizgiz bestanden hat, ist man in der Lage sich in jemand ganz anderen zu verwandeln. Alles ist eine Frage der Vorstellungskraft. Das ist die erste Regel der Magie!“ Verrigo lachte laut auf: „Hast du schon mal überlegt Lehrerin zu werden?“ Damian konnte dem kleinen nur zustimmen: „Du weißt ja fast mehr als Perlis Magisches Lexikon. “ „Natürlich tut sie das. Sie Lebt hier!“ gab seine Schwester zu bedenken. „Alle Tiere und Pflanzen scheinen deine Freunde zu sein, Miele. Überhaupt, dein ganzer Planet ist voller Freundlichkeit. – Pflanzen die immer blühen, ein Fluss der Magisches Wasser führt.. warme Winde die jeden willkommen heißen.... und so eine große Auswahl an Köstlichem Obst wie ich sie in meinen Träumen noch nicht gesehen habe!“ Perla drehte sich auf der Wiese im Kreis: „Am liebsten möchte ich nie mehr hier fort. Alles ist so wunder wunder schön!“ „Achso“, kicherte Miele: „Ich dachte du möchtest nach Magix gehen, und an der Feenschule lernen wie man eine wirklich Mächtige Fee wird?“ Damian gefiel es, wie die Augen seiner Schwester glitzerten, wenn man von Magix sprach. „Hast du gehört Brüderchen? Eine Fee! Ich, eine Fee! Das wäre doch...“ „Ja, und aus ihm machen sie dort einen waschechten Helden. – Naja, eher einen Spezialisten. Für was genau ist allerdings noch fraglich... ich habe gehört, dass die Freunde meiner Schwester dieses Jahr eine Drachenreiterklasse leiten wollen. Aber es gibt auch Schwertkämpfer, Strategen und Luftschiffpiloten.“ Die vier spazierten über die Wiesen zurück zum Wasserfall, an dem Miele ein Silbernes Gefäß aus ihrer Tasche nahm. „Falls Perli beim überqueren der Welten doch ein Rückstau erwischt, ist es sicher praktisch das hier dabei zu haben.“ begann sie. „Die Tränen der Weide dort oben – aus denen der ganze Fluss besteht – tragen eine der stärksten Heilmagien in sich. Beinahe so stark wie das Herz des Drachen. Aber“, sie steckte das gefüllte Gefäß ein: „Wir wollen es gar nicht so weit kommen lassen. Erst fliegen wir ins Elfendorf. Dort können die Käfer auch besser landen.“ „Käfer?!? Landen?!?“ Damian stolperte beinahe über die letzte Sprosse der Brücke. „Ja, wir reisen Per Käfer. Die bringen uns nach Magix. Miele hat sie schon dazu überredet.“ Verkündete Verrigo. „Ich fliege mit ihr, und du mit Perli.“ – 

Auf dieser Seite des Flusses waren alle Pflanzen übernatürlich groß. Perla kam sich vor als würde sie in einem Tunnel laufen, dessen Decke vollständig aus Gänseblümchenköpfen bestand. Am Ende dieses atemberaubenden Blumentunnels war eine Flache Wiese, die von Riesengroßen Käfern als Weideland genutzt wurde. Miele ging auf die Käfer zu und Verrigo kam ihr gleich hinterher, während die anderen beiden den übergroßen Insekten eher scheu gegenüber traten. Miele flüsterte einem der Käfer etwas ins Ohr, worauf hin der gemächlich auf Perla zu trottete. Sie selbst kletterte auf einen der anderen Käfer, der sich neben ihr und Verrigo auf die Wiese gelegt hatte. „Los ihr zwei, ihr habt doch gesehen wie man's macht. Sitz Käferchen, und lass die beiden aufsteigen!“ Der Käfer legte sich vor den beiden auf die Wiese, und als Perla sah, wie Verrigo lachte, beschloss sie es auch versuchen zu wollen. Wenn sie auf diese Weise nach Magix kommen würde, dann würde sie auch auf Käfern fliegen. Das einzige was sie noch davon abhielt, war ihre geringe Körpergröße. Damian war immer noch nicht überzeugt. Er stand abseits und beobachtete die kläglichen versuche seiner Schwester das Insekt zu besteigen. Er konnte umhin es ein wenig lustig zu finden, was für lächerliche Verrenkungen sein ungelenker Zwilling da anstellte. „Es wäre mir wirklich lieber, du würdest mir helfen, als mich auszulachen.“, rief Perla ermutigend. Sie wusste, dass er nicht von seiner Skepsis loskommen konnte. „Je eher wir auf diesem Tierchen sitzen, desto eher sind wir in Magix. Und du weißt, Magix heißt Sicherheit. “ Ein Argument von dem zumindest Perla überzeugt war – und Damian bekam mehr und mehr das Gefühl dass sie die ganze Zeit Recht gehabt hatte. Die Welt von Linphea war farbenfroh und freundlich, und auch ihre Bewohner – zumindest die Bewohnerin die er kennen gelernt hatte – schienen vertrauenswürdig. Er dachte zu viel darüber nach. Auch Verrigo störte ihn mittlerweile nicht mehr. – Sicher, er war ein frecher vorlauter Knirps, aber im Grunde suchte er das selbe wie Perla und er. Das Gefühl irgendwo hin zu gehören. Miele hatte gesagt in Magix könne man allerhand Feen und Zauberer aus den verschiedensten Welten treffen. Vielleicht also auch jemanden, der wusste wohin die drei gehörten, und was sie mit sich anfangen sollten. Miele wollte einen Helden aus ihm machen... einen Spezialisten. War er in der Lage jemals ein Held zu werden? Wie oft hatte Perla ihm erzählt, dass eine Regel des Feenkodex besagte immer an die guten Möglichkeiten zu glauben? Warum fiel es ihm so schwer darauf zu vertrauen, auch wenn er heute schon so viel davon gesehen hatte? Warum konnte er nicht zugeben, dass er sich genau so freute wie sie? Wovor fürchtete er sich noch? „Na gut Schwesterchen.“ , sagte er schließlich und kam auf sie zu. „Wenn es dir hilft, dann steigen wir jetzt auf diesen Riesenkäfer.“ Damian gab seiner Schwester einen Schupps auf den Rücken des Käfers und kletterte hinter sie. „Halt deine Perla gut fest Damian!“, rief Miele ihm zu. „Und ihr Fliegt Käferchen. Los, auf! Kurs aufs Elfendorf. Ich bin mir sicher Ninfea hat den besonders süßen Nektar für euch aufgehoben!“ 
 
Beide Käfer erhoben sich langsam und stiegen in die Luft. Miele hatte schon oft Ausflüge auf ihnen unternommen und hatte großen Spaß dabei, Verrigo ihren Planeten von oben zu zeigen. Damian und Perla hingegen hatten mit dem Ausblick eher zu kämpfen. Damian war wieder ein mal als würden alle seine Gelenke aus Pudding bestehen. „Sieh bloß nicht nach unten. Und bleib gerade sitzen!“, wies Perla ihn an. Sie hatte den Fehler gemacht. Zwar hatte ihr der Anblick der Feen, die auf den Blüten und Blättern der Baumwipfel Tanzten gefallen; die Tatsache allerdings, dass sie auf einem fliegendem Käfer weit über dem Erdboden saß, jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Urplötzlich wurden beide Käfer von einer starken Böhe erfasst, die sie fast dazu brachte sich um sich selbst zu drehen. Damian umklammerte die Taille seiner Schwester mit beiden Händen. Eine starke Kraft zog die beiden äußerlich nach hinten, während sie innerlich ihre Körper durchströmte. Beide fielen in eine halb-Trance, in der sie nur noch Mieles Panisches Landekomando hören konnten.
 
 Leserfrage des Tages: 
 Wo denkt ihr Landen sie? Schaffen es alle sicher nach Magix?

5 Kommentare:

  1. ich finde beide geschichten einfach geil. sie sind richtig spannend. ich frag mich wie es weiter geht
    danke für das schöne kalender

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  2. mal wieder eine tolle geschichte. ;)
    ich bin sicher dass alle nach magix kommen. Ich glaube an sie !

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  3. Ich schließe mich den beiden Kommentaren oben an. Es war wieder mal ein tolles Kapitel. ^^
    Früher oder später werden sie sicher Magix erreichen. Allerdings denke ich, dass davor noch ein bisschen was passiert. xD

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  4. Ach is doch kein Thema mit Montag! Ich find es toll das du dir die ganze Mühe mit dem Schreiben machst! :)

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  5. Also ich fände lustig deren Reaktion zu sehen, wenn sie denn in der Magix-Innenstadt landen und auf das geschäftige Treiben treffen XD

    Aber ich glaube nicht, dass es so schnell dorthin kommt. Vorher glaube ich, werden noch viele Zwischenstationen abgeklappert.

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