Die Kräuterfee
Sie waren in einem Fluss gelandet. Kühles klares Wasser wirbelte um
Damians Knöchel. Verrigo stand gleich neben ihm auf einer satten,
grünen Wiese. So etwas hatte Damian noch nie wirklich gesehen. Nur
wenn Perla ihm und den jüngeren Kindern vorgelesen hatte, hatte er
sich solch bunte Welten vorstellen können. Das hier war real. All
die Blumen die er nach ihren Beschreibungen gezeichnet hatte, die
Wolken, das Gras, das Wasser in dem sich der strahlend blaue Himmel
spiegelte. Er war wirklich da. Aber wie hieß dieser Ort? Und wo war
seine Schwester? Suchend drehte er sich um. Doch was er da sah konnte
und wollte der Junge nicht glauben: Ein Wasserfall. Ein rückwärts
fließender Wasserfall. Doch wo war Perla?
Verrigo sprang vor Damians Nase von Stein zu Stein. „Hast du sie
gesehen?“, stutzte er. „Unter dir.“, kicherte der freche
Knirps. „Oh-Herr-Je-Mine!Perli!“ Das Mädchen lag zu Damians
Füßen im Wasser, ihr hellbraunes Haar über seinen Schuhspitzen wie
ein welliger Fächer ausgebreitet. „Perli?“ Der Schock stand ihm
ins Gesicht geschrieben: „Was hast du mit Ihr gemacht?!?“, schrie
er Verrigo ungehalten an. „Du bist eine Falle, nicht?“ Verrigo
schien verunsichert von Damians Geschrei. Er legte einen Finger auf
die Lippen. „Nein, das bin ich ganz sicher nicht. Pscht. Du
verschreckst noch Mieles Freunde.“ Während Damian seine Schwester
behutsam aus dem Flussbett zog, begann Verrigo zu erklären: „Miele
ist das Mädchen, dessen Lachen ich gehört habe. Sie ist wirklich
nett, und meint, dass sie uns nach Magix bringen kann.“ „Außerdem
bin ich eine Kräuterfee, und weiß was mit deiner Freundin los
ist.“ Sie sah wirklich freundlich aus, fand Damian. Ihr aussehen
harmonierte mit der farbenfrohen, einladend wirkenden Umgebung. „Ich
möchte euch helfen, wenn du mich lässt.“ Miele kniete sich zu
Perla und goss ihr vorsichtig einen Schluck Kräuterbrühe aus einem
rosa Blütenblatt zwischen die Lippen.
„Wach
auf Perli! Bitte wach auf und sprich mit mir!“, flehte ihr Bruder
hilflos. „Was hat sie denn?“, harkte Verrigo aufgeregt nach.
„Offensichtlich“ – Mieles Tonfall war amüsiert und
nachdenklich zugleich: „Offensichtlich handelt es sich hier um
einen Magierückstau.“ Auf Damians panisch fragenden Blick hin
setzte das Mädchen zur Erklärung an: „wenn eine Fee zu lange von
zu wenig Magie umgeben war, und dann in eine Umgebung mit viel Magie
gelangt, dann gibt es einen Magierückstau.“ Miele kicherte, und
warf dabei ihren rotblonden Zopf zurück. „Außerdem ist sie in den
Fluss gefallen, dass heißt, der Rückstau ist noch ein wenig
stärker. Dieser Fluss ist ebenfalls Magisch. Wie ihr bemerkt habt,
fließt er rückwärts. Sein Wasser besteht aus den Tränen dieses
Baumes dort.“ Sie deutete auf einen Dessen Blätter in Strängen
hinab hingen. „Das ist die Trauerweide.“ Daminan und Verrigo
sahen sich das Gewächs genau an. „Ihre Magie ist ziemlich Stark,
aber sie ist gutartig. Ich glaube nicht, dass sie deiner Perla etwas
Böses wollen würde.“ In Damians Gesicht war die Skepsis wie
festgefroren: „Wie kannst du wissen, ob sie eine Fee ist?“ Auch
Verrigo stutzte: „Ja, woher? Da wo wir her kommen gibt es doch
gerade einmal genug Magie um einen Lichtpunkt
aufzusammeln.“
Miele
grinste die Jungen frech an. „Meine Schwester Flora ist die
Schutzfee von Linphea. So heißt unser Planet hier. Sie hat mir
beigebracht wie magische Energie erfasst.“ „Linphea sagst du?
Dann sind wir hier Falsch. Wir... wir wollen unbedingt nach Magix.“
Die Kräuterfee tätschelte beruhigend Damians Schulter: „Ach da
Kann ich euch hin bringen.Aber erst wecke ich mal deine Perla auf,
und dann gibt’s einen Stärkungstee. Hier auf Linphea gibt es wie
erwähnt nur Pflanzenmagie. In Magix gibt es jede Art von Magie.
Feen und Zauberer aus jeder Ecke des Universums treffen dort
zusammen.“ Sie wedelte mit einem Büschel rosa Blüten vor Perlas
Nase, und die wachte gleich auf. „Damian? Sind wir in Magix?“
fragte sie benommen. „Bald.“ beruhigte er seine Schwester und
lächelte. „Miele kann uns hin bringen.“, erklärte Verrigo
kichernd. „Erst müsst ihr euch stärken.“, beharrte die kleine
mit einem frechen Grinsen.
Sie schwang das rosa Blütrnbündel noch
einmal vor Perla und Damian hin und her. Ein warmer, frühlingshafter
Wind lies bunte Blütenblätter um die drei Neuankömmlinge wehen,
unter die sich funkelnder Pollenstaub mischte. Damian musste laut
niesen, worauf hin Verrigo doppelt so laut lachte. „Arme hoch und
Augen zu!“ kommandierte Miele, und drehte sich im Kreis um die drei
Zerlumpt gekleideten gestalten. Die taten was Miele ihnen befohlen
hatte und gleich wurde aus den Blütenblättern richtige, farbenfrohe
Kleidung. Statt der zerfetzten braunen Jute-Hose trug Damian nun eine
kurze Jeans mit vielen Taschen, er stand nicht mehr barfuß, sondern
in festen Sportschuhen da, und über das weiße T-Shirt, welches
vorher nur ein dreckiger Stoffetzen mit Kohleflecken gewesen war,
legte sich eine grüne Kapuzenjacke mit gelber Innenseite und einem
Reißverschluss. Auch Verrigo fand sich in einer solchen Jacke –
allerdings in hellblau und weiß – einer ähnlichen, dunkleren
Abenteurerhose und einem Paar Sandalen wieder. Natürlich sollte
Perla nicht leer aus gehen; In einem perlmutfarbenen Rüschenröckchen,
einem rosa Top und einem passendem Paar rosa Ballerinas mit
glitzernden Schleifen sah sie gleich viel feenhafter aus. Auch ihre
zerzausten Locken wurden vom Zauberwind gebändigt und zu zwei Zöpfen
geflochten. Nur eine Locke wollte sich trotzt Schleifen und
herzförmiger Haarspangen nicht bändigen lassen und fiel ihr auf die
Stirn. Auch den beiden Jungs waren die Haare gerichtet worden.
Und so konnten nun alle drei Besucher ordentlich aussehend an einen
Platz geführt werden, an dem ebenso ordentlich gedeckte Baumstämme
als Picknick-Tische dienten.
„Bedient
euch!“, bat Miele feierlich, doch Perla war mit etwas ganz anderem
beschäftigt: „Damian, sieh dir das an! Farben, bunte Farben! Und
keine Löcher mehr! … Was noch wichtiger ist... du bist sauber!“
Das Mädchen konnte mit dem Staunen und kichern gar nicht mehr
aufhören. Damians einzige Anwort war ein beschämtes lächeln. Er
sagte sowieso nie viel daraus machte sich seine Schwester nichts
mehr. Sie wusste, dass er genau so glücklich war wie sie. Verrigo
hatte sich schon über die Auswahl von süßen Früchten, leckerem
Gebäck und heißem Tee her gemacht. „Ich will ja nicht stören ihr
Turteltauben, aber das hier sieht noch hundert mal besser aus als
Perla! – Obwohl sie zugegeben ziemlich gut aussieht. – “,
übermütig biss er gleichzeitig in Butterhörnchen und Pfirsiche.
„Und es schmeckt auch!“ Miele war sehr zufrieden mit sich und
genoss die vielen Komplimente. „Esst ruhig von allem. Probiert was
ihr möchtet. Frisches Obst gibt es genug im Immerblühenden Garten.
Und was den Rest angeht, die Zutaten beschaffe ich mir in Magix. –
Jetzt setzt euch endlich, ihr beiden. Auf leeren Magen kommen
Rückstaus noch zehn Mal schlimmer. Außerdem hat man so auch keine
Flugenergie. Esst, und was ihr nicht aufessen könnt, verstaut ihr
hier!“, Wieder wehte ein warmer Wind, große Blätter wirbelten
darin herum, und der glitzernde Pollenstaub verwandelte sie in
Rucksäcke. Perlas Mund blieb vor staunen offen stehen. „Wie machst
du das bloß? Du musst eine ziemlich starke Fee sein, nicht wahr?“
„Ich doch nicht! Das hier ist wirklich nur ein einfacher
veränderungs-Zauber. Die lernt man auf Alfea als erstes. Wenn man
diesen Kurs bei Professor Wizgiz bestanden hat, ist man in der Lage
sich in jemand ganz anderen zu verwandeln. Alles ist eine Frage der
Vorstellungskraft. Das ist die erste Regel der Magie!“ Verrigo
lachte laut auf: „Hast du schon mal überlegt Lehrerin zu werden?“
Damian konnte dem kleinen nur zustimmen: „Du weißt ja fast mehr
als Perlis Magisches Lexikon. “ „Natürlich tut sie das. Sie Lebt
hier!“ gab seine Schwester zu bedenken. „Alle Tiere und Pflanzen
scheinen deine Freunde zu sein, Miele. Überhaupt, dein ganzer Planet
ist voller Freundlichkeit. – Pflanzen die immer blühen, ein Fluss
der Magisches Wasser führt.. warme Winde die jeden willkommen
heißen.... und so eine große Auswahl an Köstlichem Obst wie ich
sie in meinen Träumen noch nicht gesehen habe!“ Perla drehte sich
auf der Wiese im Kreis: „Am liebsten möchte ich nie mehr hier
fort. Alles ist so wunder wunder schön!“ „Achso“, kicherte
Miele: „Ich dachte du möchtest nach Magix gehen, und an der
Feenschule lernen wie man eine wirklich Mächtige Fee wird?“
Damian gefiel es, wie die Augen seiner Schwester glitzerten, wenn man
von Magix sprach. „Hast du gehört Brüderchen? Eine Fee! Ich, eine
Fee! Das wäre doch...“ „Ja, und aus ihm machen sie dort einen
waschechten Helden. – Naja, eher einen Spezialisten. Für was genau
ist allerdings noch fraglich... ich habe gehört, dass die Freunde
meiner Schwester dieses Jahr eine Drachenreiterklasse leiten wollen.
Aber es gibt auch Schwertkämpfer, Strategen und Luftschiffpiloten.“
Die vier spazierten über die Wiesen zurück zum Wasserfall, an dem
Miele ein Silbernes Gefäß aus ihrer Tasche nahm. „Falls Perli
beim überqueren der Welten doch ein Rückstau erwischt, ist es
sicher praktisch das hier dabei zu haben.“ begann sie. „Die
Tränen der Weide dort oben – aus denen der ganze Fluss besteht –
tragen eine der stärksten Heilmagien in sich. Beinahe so stark wie
das Herz des Drachen. Aber“, sie steckte das gefüllte Gefäß ein:
„Wir wollen es gar nicht so weit kommen lassen. Erst fliegen wir
ins Elfendorf. Dort können die Käfer auch besser landen.“
„Käfer?!? Landen?!?“ Damian stolperte beinahe über die letzte
Sprosse der Brücke. „Ja, wir reisen Per Käfer. Die bringen uns
nach Magix. Miele hat sie schon dazu überredet.“ Verkündete
Verrigo. „Ich fliege mit ihr, und du mit Perli.“ –
Auf dieser
Seite des Flusses waren alle Pflanzen übernatürlich groß. Perla
kam sich vor als würde sie in einem Tunnel laufen, dessen Decke
vollständig aus Gänseblümchenköpfen bestand. Am Ende dieses
atemberaubenden Blumentunnels war eine Flache Wiese, die von
Riesengroßen Käfern als Weideland genutzt wurde. Miele ging auf
die Käfer zu und Verrigo kam ihr gleich hinterher, während die
anderen beiden den übergroßen Insekten eher scheu gegenüber
traten. Miele flüsterte einem der Käfer etwas ins Ohr, worauf hin
der gemächlich auf Perla zu trottete. Sie selbst kletterte auf einen
der anderen Käfer, der sich neben ihr und Verrigo auf die Wiese
gelegt hatte. „Los ihr zwei, ihr habt doch gesehen wie man's macht.
Sitz Käferchen, und lass die beiden aufsteigen!“ Der Käfer legte
sich vor den beiden auf die Wiese, und als Perla sah, wie Verrigo
lachte, beschloss sie es auch versuchen zu wollen. Wenn sie auf diese
Weise nach Magix kommen würde, dann würde sie auch auf Käfern
fliegen. Das einzige was sie noch davon abhielt, war ihre geringe
Körpergröße. Damian war immer noch nicht überzeugt. Er stand
abseits und beobachtete die kläglichen versuche seiner Schwester
das Insekt zu besteigen. Er konnte umhin es ein wenig lustig zu
finden, was für lächerliche Verrenkungen sein ungelenker Zwilling
da anstellte. „Es wäre mir wirklich lieber, du würdest mir
helfen, als mich auszulachen.“, rief Perla ermutigend. Sie
wusste, dass er nicht von seiner Skepsis loskommen konnte. „Je eher
wir auf diesem Tierchen sitzen, desto eher sind wir in Magix. Und du
weißt, Magix heißt Sicherheit. “ Ein Argument von dem zumindest
Perla überzeugt war – und Damian bekam mehr und mehr das Gefühl
dass sie die ganze Zeit Recht gehabt hatte. Die Welt von Linphea war
farbenfroh und freundlich, und auch ihre Bewohner – zumindest die
Bewohnerin die er kennen gelernt hatte – schienen vertrauenswürdig.
Er dachte zu viel darüber nach. Auch Verrigo störte ihn
mittlerweile nicht mehr. – Sicher, er war ein frecher vorlauter
Knirps, aber im Grunde suchte er das selbe wie Perla und er. Das
Gefühl irgendwo hin zu gehören. Miele hatte gesagt in Magix könne
man allerhand Feen und Zauberer aus den verschiedensten Welten
treffen. Vielleicht also auch jemanden, der wusste wohin die drei
gehörten, und was sie mit sich anfangen sollten. Miele wollte einen
Helden aus ihm machen... einen Spezialisten.
War er in der Lage jemals ein Held zu werden? Wie oft hatte Perla
ihm erzählt, dass eine Regel des Feenkodex besagte immer an die
guten Möglichkeiten zu glauben? Warum fiel es ihm so schwer darauf
zu vertrauen, auch wenn er heute schon so viel davon gesehen hatte?
Warum konnte er nicht zugeben, dass er sich genau so freute wie sie?
Wovor fürchtete er sich noch? „Na gut Schwesterchen.“ , sagte
er schließlich und kam auf sie zu. „Wenn es dir hilft, dann
steigen wir jetzt auf diesen Riesenkäfer.“ Damian gab seiner
Schwester einen Schupps auf den Rücken des Käfers und kletterte
hinter sie. „Halt deine Perla gut fest Damian!“, rief Miele ihm
zu. „Und ihr Fliegt Käferchen. Los, auf! Kurs aufs Elfendorf. Ich
bin mir sicher Ninfea hat den besonders süßen Nektar für euch
aufgehoben!“
Beide Käfer erhoben sich langsam und stiegen in die Luft. Miele
hatte schon oft Ausflüge auf ihnen unternommen und hatte großen
Spaß dabei, Verrigo ihren Planeten von oben zu zeigen. Damian und
Perla hingegen hatten mit dem Ausblick eher zu kämpfen. Damian war
wieder ein mal als würden alle seine Gelenke aus Pudding bestehen.
„Sieh bloß nicht nach unten. Und bleib gerade sitzen!“, wies
Perla ihn an. Sie hatte den Fehler gemacht. Zwar hatte ihr der
Anblick der Feen, die auf den Blüten und Blättern der Baumwipfel
Tanzten gefallen; die Tatsache allerdings, dass sie auf einem
fliegendem Käfer weit über dem Erdboden saß, jagte ihr einen
kalten Schauer über den Rücken. Urplötzlich wurden beide Käfer
von einer starken Böhe erfasst, die sie fast dazu brachte sich um
sich selbst zu drehen. Damian umklammerte die Taille seiner Schwester
mit beiden Händen. Eine starke Kraft zog die beiden äußerlich nach
hinten, während sie innerlich ihre Körper durchströmte. Beide
fielen in eine halb-Trance, in der sie nur noch Mieles Panisches
Landekomando hören konnten.
Leserfrage des Tages:
Wo denkt ihr Landen sie? Schaffen es alle sicher nach Magix?
ich finde beide geschichten einfach geil. sie sind richtig spannend. ich frag mich wie es weiter geht
AntwortenLöschendanke für das schöne kalender
mal wieder eine tolle geschichte. ;)
AntwortenLöschenich bin sicher dass alle nach magix kommen. Ich glaube an sie !
Ich schließe mich den beiden Kommentaren oben an. Es war wieder mal ein tolles Kapitel. ^^
AntwortenLöschenFrüher oder später werden sie sicher Magix erreichen. Allerdings denke ich, dass davor noch ein bisschen was passiert. xD
Ach is doch kein Thema mit Montag! Ich find es toll das du dir die ganze Mühe mit dem Schreiben machst! :)
AntwortenLöschenAlso ich fände lustig deren Reaktion zu sehen, wenn sie denn in der Magix-Innenstadt landen und auf das geschäftige Treiben treffen XD
AntwortenLöschenAber ich glaube nicht, dass es so schnell dorthin kommt. Vorher glaube ich, werden noch viele Zwischenstationen abgeklappert.